Warsteiner: „Wir verkaufen kein Bier, wir verkaufen Spaß in Flaschen“

von Santiago Campillo-Lundbeck Mittwoch, 01. März 2023

Andreas von Grabowiecki, Marketingdirektion Warsteiner

Warsteiner wirbt seit Anfang Februar mit neuem Claim und neuem Auftritt. Marketing-Direktor Andreas von Grabowiecki erklärt im
HORIZONT-Interview, warum das Premiumpils jetzt auf menschliche Emotionen und den besonderen Moment setzt.

Die Königin unter den Bieren ist als Marke etwas in die Jahre gekommen. Im 270. Jahr der Firmengeschichte verpasst Warsteiner seiner Pilsmarke nun eine neue Markenpositionierung. Damit der Neustart gelingt, muss die Marke allerdings auch ihre emotionale Seite glaubwürdig kommunizieren. Marketing-Direktor Andreas von Grabowiecki setzt dafür auf eine Kampagne, die Aufbruchstimmung verbreitet, ohne die Stammkunden zu verschrecken.

Sie leiten seit August vergangenen Jahres das Marketing von Warsteiner. War Ihnen von Anfang an klar, dass Sie grundsätzlich an die Markenpositionierung herangehen müssen?
Wir haben ehrlicherweise schon vom Start weg damit begonnen, über die Positionierung nachzudenken und daran zu arbeiten. Klar war dabei, dass Warsteiner mit seiner Bekanntheit in Deutschland definitiv kein Problem hat. Ich musste noch nie die Frage stellen: Kennen Sie Warsteiner? Wenn ich mir die Ergebnisse aus dem Brand Funnel anschaue, dann könnten die Awareness-Werte gar nicht besser sein. Da haben wir in den 270 Jahren der Markengeschichte wirklich sehr viel aufgebaut. Wenn man dann aber fragt, wofür die Marke steht oder welche Bilder sie im Kopf auslöst, dann ist das ein anderes Spiel.

Und was fehlt aus Ihrer Sicht am Markenbild?
Wir haben in den letzten Jahrzehnten vor allem ikonische Produktinszenierung betrieben und sehr auf die Produktqualität in der Kommunikation gesetzt. Die Spots mit der Tulpe waren allein schon in ihrem Design sehr ikonisch. Das hat dann aber dazu geführt, dass die Leute mit Warsteiner vor allem Qualität und Bier verbinden, aber darüber hinaus nicht wirklich relevante Inhalte nennen können. An dieser Qualitätspositionierung ist nichts falsch und sie war zu ihrer Zeit sogar sehr innovativ. Wir haben ja quasi in den 90ern die Premium-Kategorie für den Biermarkt erfunden. Aber wenn wir heute darauf schauen, was die Menschen in ihrer Beziehung zu Marken umtreibt, müssen wir noch ein bisschen mehr anbieten. Diese Frage haben wir uns nicht nur gestellt. Wir haben auch eine Antwort darauf entwickelt.

Kann ein Fernsehbier wie Warsteiner dieses „Mehr“ überhaupt leisten? Denn als große Marke müssen Sie ja im Prinzip für alle Menschen zugänglich sein. Da riskiert doch jede zusätzliche Konkretisierung der Markenidentität, dass Sie möglicherweise einen Teil Ihrer Zielgruppe verschrecken.
An diesem Punkt sind wir jetzt ja gerade. Wir haben die Produktqualität, wir haben die Bekanntheit für die Marke aufgebaut und jetzt haben wir als große Biermarke das Problem, wie wir uns im Markt differenzieren können. Das ist genau die Frage. Denn in der Vergangenheit haben wir wenig über Emotionen und Werte gesprochen. Und wenn wir jetzt unsere Markenpositionierung präzisieren wollen, dann müssen wir anfangen, genau darüber zu sprechen. Wir müssen vermitteln, was unsere Rolle als Biermarke ist, was wir den Konsumenten anbieten wollen.

» Ich musste noch nie die Frage stellen: Kennen Sie Warsteiner? «

Andreas von Grabowiecki

Reicht es nicht, im Biermarkt das Premiumbier zu sein? Normalerweise ist eine Premiumpositionierung doch eine sehr vorteilhafte Positionierung. Oder funktioniert diese Mechanik für große Biermarken nicht mehr in einer Zeit, in der Premium eher mit Craft Beer, lokalen Marken oder Importbieren verbunden wird?
Das ist eine interessante Beobachtung. Der Markt wird tatsächlich immer größer, weil auch heute noch neue Brauereien auf den Markt drängen. Aber gleichzeitig steigt der Absatz nicht. Und in diesem veränderten Markt entwickelt sich auch der Anspruch an eine Premiumpositionierung weiter. Deshalb müssen wir uns auch als Warsteiner weiterentwickeln. Wir werden allerdings niemals irgendwelche exotischen Erlebnisse als Teil der Marke suggerieren. Und wir sind auch kein Craft-Beer. Das wäre aus meiner Sicht auch ein Fehler, wenn wir versuchen würden, wirklich jedes Bedürfnis mit der Marke Warsteiner zu beantworten. Als Brauereigruppe haben wir genügend lokale Marken, mit denen wir selbst Nischenwünsche im Biermarkt befriedigen können.

Dann stellt sich umso mehr die Frage, welche Antwort Warsteiner für die emotionalen Bedürfnisse der Kunden liefert.
Wir haben uns sehr genau die emotionalen Treiber der Konsumenten angeschaut und geprüft, welche Themenfelder schon durch andere Marken belegt sind. Und dabei haben wir ein Feld gefunden, das wir belegen können. Und das sind die Themen Optimismus und Lebensfreude. Denn wir verkaufen keine Versicherungen oder Staubsauger. Wir verkaufen genau genommen noch nicht einmal Bier. Wir verkaufen Spaß in Flaschen.

„Spaß in Flaschen“ klingt sehr originell, wäre aber als Werbekampagne ziemlich erklärungsbedürftig.
Deshalb gehen wir unsere Botschaft im Storytelling auch anders an. Wir stellen uns die Frage, was die Konsumenten fühlen, wenn sie mit ihren Freunden ein Bier trinken, wenn sie auf einem Festival sind und an einem Sommerabend ein richtig kühles Bier trinken. Das ist pure Lebensfreude. Das ist die Basis für unsere neue Kampagne, die sich tatsächlich komplett löst von unserer bisherigen Kommunikationswelt. Mit dem neuen Spot sagen wir: Warsteiner ist die Tür zur Lebensfreude. Das Symbol dafür ist der Warsteiner-Kühlschrank.

»Wir stellen uns die Frage, was die Konsumenten fühlen, wenn sie mit ihren Freunden ein Bier trinken, wenn sie auf einem Festival sind und an einem Sommerabend ein richtig kühles Bier trinken. «

Andreas von Grabowiecki

An der neuen Kampagne fällt ja nicht nur auf, dass hier die Menschen viel prominenter gezeigt werden, sondern dass auch die Musik eine stärkere Rolle spielt. Inwieweit soll die Musik über den Spot hinaus für die Markenkommunikation eingesetzt werden?
Wir sind ja unter anderem Sponsor von Rock am Ring, Rock im Park und Parookaville. Deshalb ist Musik ein Teil der Welt, die wir in der Kampagne zeigen. Musik hat auch schon in den alten Spots eine Rolle gespielt, allerdings war das mit Zarathustra eher ein Ausflug in die klassische Musik. Uns war es wichtig, dass wir uns hier zeitgemäß und frischer präsentieren. Aber wir wollen über die Musik jetzt nicht nur ausschließlich die jungen Leute ansprechen. Wir machen erst einmal allen Leuten ein Angebot, aber die Musik soll auch signalisieren, dass wir einen Schritt nach vorne machen.

Ist Ihr Plan, dass die Konsumenten den neuen Song nach einer gewissen Zeit ähnlich wie früher die alte Musik als Warsteiner-Song verinnerlichen?
Ganz genau. Tatsächlich haben wir den Song für den Spot schreiben lassen und in unterschiedlichen Formaten produziert. So haben wir auch ein Musikvideo zu diesem Song, das wir zum Beispiel auf Festivals in Pausen einsetzen werden. Denn die Musik vermittelt sehr gut, wofür Warsteiner steht, und die gute Laune, die wir zum Kern unseres Markenerlebnisses machen wollen. Das war von Anfang an so geplant. Und deshalb hätte es auch nicht funktioniert, wenn wir dafür einen schon existierenden Song gewählt hätten.

Welche Mediastrategie steht hinter der Kampagne? Sie haben ja schon gesagt, dass Markenbekanntheit kein Problem von Warsteiner ist. Stellt sich da nicht die Frage, wie viel Fernsehen das Fernsehbier Warsteiner noch in der Werbung braucht?
Sie haben recht: Wir haben eine hohe Markenbekanntheit. Aber unser Job ist es im Moment, ein schon existierendes Markenbild im Kopf zu überschreiben. Und dazu müssen wir die Menschen erst einmal mit der nötigen Reichweite erreichen. Aber das Ziel ist jetzt nicht, einfach nur stumpf Reichweite zu erzielen. Es geht uns schon in der Kampagne darum, Image aufzubauen. Deshalb haben wir auch nicht mit der Holzkeule überall das Markenlogo hineingepresst, sondern konzentrieren uns lieber darauf, unsere Geschichte zu erzählen. Dabei setzen wir vor allem auf Bewegtbild und bedienen alle dafür relevanten Plattformen. Dazu gehört natürlich TV, aber eben auch Online-Video, Streaming, Kino, Mobile und digitale Außenwerbung. Wir werden überall, wo man Bewegtbild zeigen kann, Bewegtbild zeigen.
Das heißt, Fernsehbiere können heute von der TV-Werbung allein nicht mehr leben?
Es ist immer noch so, dass Fernsehen die größte Reichweite hat und auch die meisten Leute erreicht. Das gilt auch für die jüngeren Zielgruppen. Digital ist natürlich ein wichtiger Teil des Zuschauerkuchens, aber TV bleibt auch in Zukunft ein wichtiger Teil im Mediamix. Ob die Nutzung dann immer im linearen Fernsehen stattfindet, darüber kann man natürlich diskutieren. Wir schauen uns die neu entstehenden Angebote durchaus an.

Aber ist Bewegtbild für Sie auch das Medium, um das Engagement mit der Marke zu vertiefen? Andere Marken nutzen dazu Strategien wie Influencer Marketing. Diese Optionen stehen Ihnen ja als Alkoholmarke nicht zur Verfügung.
Grundsätzlich sind wir in Social Media unterwegs. Und wir können durchaus auch mit Influencern Projekte umsetzen, und das tun wir auch aktuell. Aber wir können mit solchen Projekten nicht ganz so sehr in die Breite gehen wie vielleicht eine Kosmetikmarke. Plattformen mit Altersbeschränkungen sind da für uns sehr relevant. Aber das ist kein Hauptbestandteil unserer Kommunikationsstrategie, eher die eine oder andere Kirsche auf dem Kuchen.

Und was funktioniert besonders gut? Oder anders gefragt: Was ist das TikTok für Warsteiner?
Also TikTok ist es natürlich nicht, weil TikTok Alkoholwerbung gar nicht zulassen würde. Aber auf den Plattformen von Meta sind wir sehr aktiv. Und wir sind als erste Biermarke auch in Gaming und E-Sports vertreten. Aber wie gesagt: Im ersten Schritt unserer Kampagne geht es darum, möglichst viele Menschen mit dem neuen Auftritt und der neuen Botschaft zu erreichen.

Und gibt es denn für die Kampagne eine Zielgruppe, die aus Ihrer Sicht ein besonders relevanter Wirkungshebel wäre? Ich gehe mal davon aus, dass Sie die klassischen Kneipenbesucher nicht zwingend davon überzeugen müssen, sich mit Warsteiner zu beschäftigen.
Die Frage stellen Sie wahrscheinlich auch anderen Kollegen. Und dann kommt – lassen Sie mich raten – immer die Antwort: „Wir wollen alle erreichen.“ Das gilt natürlich auch für uns. Wir wollen die Bestandsverwender genauso erreichen wie neue Verwender. Aber Sie haben natürlich recht. Die Stammverwender, die schon seit langem Warsteiner trinken, wollen wir auf keinen Fall vergraulen. Aber wir möchten natürlich auch neue Menschen wieder an die Marke heranführen. Das ist in der Kommunikation immer ein Spagat. Wir wollen gar nicht zu sehr jung sein oder um die reinen Millennials bemüht. Wir machen allen ein Angebot, den Verwendern und den Nichtverwendern aus allen Altersklassen.

Glauben Sie wirklich, dass Sie noch neue Konsumenten für das Produkt Bier gewinnen können, oder wird es hier nicht letztlich darum gehen, die Kunden von anderen Marken abzuwerben?
Es ist wohl eher Letzteres. Es wäre natürlich schön, wenn wir neue Leute in die Bierkategorie reinholen könnten. Aber realistischerweise befinden wir uns in dieser Kategorie im Moment in einem Verdrängungswettbewerb. Aber das muss nicht so bleiben. Ich glaube nach wie vor, dass man mit den richtigen Innovationen und dem richtigen Gespür für Trends den Markt auch wieder wachsen lassen kann.

Das klingt so, als ob Warsteiner einen Konsumtrend identifiziert hätte, der solche Wachstumsimpulse liefern könnte.
Vielleicht?! Zunächst einmal wollen wir unsere neue Markenbotschaft verbreiten. Aber wir haben auch eine Produktinnovation vorbereitet, von der wir uns eine ganze Menge bei den Konsumenten versprechen, die aus der Bierkategorie ausgestiegen sind oder nicht so recht zu unserem Produkt finden wollen. Diese Leute haben ein klares Problem mit dem Alkoholgehalt von einem klassischen Bier. Natürlich gibt es auch alkoholfreies Bier, aber das ist für viele Menschen nur ein Kompromiss, der sie nicht wirklich überzeugt. Und deshalb haben wir Warsteiner Extra entwickelt als Bier, das den vollen Pils-Geschmack liefert, aber nur 2,5 Prozent Alkohol hat. Das Produkt startet im März, und das werden wir dann in der nächsten Phase unserer Markenkampagne bewerben. Wir haben also noch viel vor.

 

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